Vorsicht Schüttel­trauma

Schütteltrauma verstehen und vermeiden

Vier von fünf Babys sterben durch ein Schütteltrauma
oder bleiben lebenslang behindert.

  • Es handelt sich um eine durch äußere Gewalt (Schütteln) verursachte Hirnverletzung bei Säuglingen und Kleinkindern.

  • Ein Schütteltrauma kann zu lebenslangen Behinderungen bis hin zum Tod führen.

  • Anhaltendes Babyschreien gilt als Hauptauslöser für das Schütteln von Säuglingen und Kleinkindern.

  • Wissenschaftlich unbestritten: Seit 1971 ist es medizinisch nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Schütteln und den Symptomen des so verursachten Traumas gibt.

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Aufklärung ist dringend notwendig

Vielen Eltern und Betreuer:innen ist offenbar nicht klar, was sie ihrem Kind mit dem Schütteln antun. Eine telefonische Umfrage aus dem Jahr 2017 im Auftrag des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) mit rund 1000 Frauen und Männern zwischen 16 und 49 Jahren bestätigte dies. 42 Prozent der Befragten hatten noch nie vom Schütteltrauma gehört. Und 24 Prozent der Befragten dachten irrtümlich, dass Schütteln für ein Baby „vielleicht nicht so schön sei, ihm aber auch nicht schade“.

Doch renommierte Ärzte wie Seniorprofessor Dr. med. Klaus Püschel, ehemaliger Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am UKE, warnen: „Schütteln ist nicht harmlos und keine Bagatelle. Ein Kind darf man niemals schütteln.“ Denn dadurch könne es sehr schnell zu neurologischen Schäden kommen. „Das ist wie ein Beben im Kopf“, so der Arzt. Und Rechtsmediziner Professor Dr. med. Jan Sperhake am UKE fügt hinzu: „Eigentlich müsste jedem Erwachsenen klar sein, dass heftiges Schütteln eines Babys oder Kleinkindes nahezu zwangsläufig zu schweren inneren Kopfverletzungen führen muss.“

Warum ist Schütteln so gefährlich?

Das Schütteltrauma ist die häufigste nicht-natürliche Todesursache im ersten Lebensjahr eines Kindes. Zwischen 100 und 200 Babys werden laut Statistischem Bundesamt jedes Jahr in Deutschland Opfer eines groben Schüttelns. „Schütteltraumen gibt es in vielen Ausprägungen“, erklärt Professorin Dr. med. Dragana Seifert, Oberärztin der Rechtsmedizin am UKE. Überlebenden Kindern drohen nicht nur lebenslange Seh- und Sprachstörungen, sondern auch motorische Einschränkungen. Schätzungsweise zwei Drittel der Kinder erleiden schwerste körperliche und geistige Behinderungen oder chronische Schäden wie:

  • Seh- und Sprachstörungen

  • Lern- und Entwicklungsverzögerungen

  • Krampfanfälle

Nur einige Sekunden schütteln kann töten!

Wer einen Säugling am Rumpf packt und auch nur wenige Male kräftig hin und her schüttelt, verursacht mit großer Wahrscheinlichkeit ein Schütteltrauma-Syndrom. Die dabei entstehenden Bewegungen wirken verheerend. Der Neuropathologe und Privatdozent Dr. med. Jakob Matschke am UKE erklärt, warum:

  • Ein Säugling hat aufgrund seiner noch schwachen Nackenmuskulatur kaum Kontrolle über seinen Kopf. Daher fliegt er ungebremst hin und her.

  • Der Kopf bei Babys ist im Vergleich zum Körper noch überproportional groß und schwer. Dies verstärkt die Kräfte, die beim Schütteln auf den kindlichen Kopf einwirken.

  • Bei kleinen Babys ist die sogenannte Markscheide, die Nerven schützend umhüllt, noch nicht vollständig ausgebildet. Das Gewebe in ihrem Gehirn ist dadurch viel weicher und verletzbarer als bei Erwachsenen.

  • Durch das gewaltsame Überstrecken des Halses beim Schütteln können Nervenzellen im Hirnstamm geschädigt werden. In dieser Region befindet sich das Herz-Kreislaufund Atemzentrum. Kommt es hier zu Schädigungen, erleiden die Opfer einen sofortigen Herz-Kreislauf- und/oder Atemstillstand.

Schütteln ist Kindesmisshandlung

Dreh durch, aber schüttle nie dein Baby!

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Wie kann die Tat nachgewiesen werden

Vor allem die Kombination dreier typischer Befunde lassen keinen Zweifel am Schütteltrauma-Syndrom:

  • Blutungen unter der harten Hirnhaut

  • Netzhautblutungen des Augenhintergrundes

  • Diffuse Hirnschäden

Kinder- und Jugendärzt:innen oder Rechtsmediziner:innen erleben immer wieder, dass die Täter:innen nicht erzählen mögen, was genau passiert ist. Die richtige Diagnose wird dadurch erschwert und verzögert. Am UKE werden deshalb alle Kinder, die eine verdächtige neurologische Symptomatik zeigen, mit bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT, Kernspin-Untersuchung) und der Computertomografie (CT, Schichtröntgen) untersucht.

Hohe Dunkelziffer: Viele Fälle bleiben unentdeckt

In einigen Fällen wird das Schütteltrauma-Syndrom nicht entdeckt bzw. diagnostiziert. „Wahrscheinlich sind unter den Kindern, die in der Schule Probleme haben, auch welche, die geschüttelt worden sind“, meint Seniorprofessor Dr. med. Klaus Püschel. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein, da die Symptome des Schütteltrauma-Syndroms nicht immer als solche erkannt werden. „Häufig werden die Zeichen solcher Taten auch von denjenigen nicht erkannt oder ignoriert, die engen Kontakt mit diesen Kindern haben; von Ärzten, Erziehern, Lehrern oder Verwandten“, weiß der Rechtsmediziner.

Er schließt auch nicht aus, dass ein Teil der schwerbehinderten Kinder Opfer eines frühkindlichen Schütteltraumas seien und in Einzelfällen auch plötzlich verstorbene Kinder zuvor geschüttelt wurden. Deshalb fordern er und sein Kollege, der Rechtsmediziner Professor Dr. med. Jan Sperhake, dass jedes plötzlich verstorbene Kind mit bildgebenden Verfahren, beispielsweise der Computertomografie (CT), untersucht und obduziert wird.

Wer sind die Täter:innen?

Kindesmisshandlungen gibt es in allen Bevölkerungsschichten. „Gewalt gegen Kinder ist eine chronische Krankheit, die über Generationen weitergegeben wird. Man spricht auch von einem Kreislauf der Gewalt“, erklärt Seniorprofessor Dr. med. Klaus Püschel. Doch die Misshandlungsfälle zeigen: Junge Männer lassen häufiger als andere ihre ungehemmte Gewalt am Baby aus. Aber auch Mütter, die mit der Erziehung überfordert sind, schütteln ihr eigenes Kind.

Drei erschütternde Fälle

  • Eine junge Mutter schüttelte ihren 18 Monate alten Sohn grob, weil er nicht aus der Flasche trinken wollte. Später fuhr sie mit ihm ins Krankenhaus, wo die Ärzt:innen Schwellungen des Gehirns sowie Blutungen im Schädelinneren des Babys feststellten und die Polizei alarmierten. Vor Gericht gestand die Mutter, ihren Sohn geschüttelt zu haben und zeigte Reue. Sie wurde zu einer einjährigen Haftstrafe, ausgesetzt als dreijährige Bewährung, verurteilt. Der Junge wird sein Leben lang mit einer schweren Behinderung leben.

  • Weil sie allein einkaufen gehen wollte, vertraute eine Mutter ihrem Lebensgefährten den 13 Monate alten Sohn an. Während ihrer Abwesenheit schüttelte er ihr Kind zehn bis fünfzehn Mal so heftig, dass dieses unmittelbar an den schweren Folgen seiner Hirnverletzungen starb. Das Gericht konnte mit Hilfe von Neuropatholog:innen und Rechtsmediziner:innen die Tat eindeutig nachweisen. Dem Mann wurde auch angelastet, dass er erst den Notruf wählte, als die Mutter nach Hause kam und panisch wurde. Der Täter wurde wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt.

  • Eine junge Mutter brachte ihren neun Monate alten Sohn ins Krankenhaus und erklärte, dass ihr Kind seit Tagen unter Krankheitssymptomen leide. Die Ärzte stellten jedoch fest, dass das Baby ein Schütteltrauma erlitten hatte. Der kleine Junge wurde sofort operiert. Die Eltern sind bis heute nicht angeklagt worden, da man weder Vater noch Mutter eindeutig die Straftat nachweisen konnte. Das Kind wurde in die Obhut von Pflegeeltern gegeben.

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